
Nevini
„Innocent“, der zweite Roman der jungen kroatischen Autorin Ena Katarina Haler, setzt den Weg ihres Debütromans „Nadohvat“ (2019) fort, verlagert den Fokus jedoch vom Zweiten Weltkrieg auf die jüngere Geschichte: von den 1990er Jahren bis in die Gegenwart
Im Zentrum dieses Werkes steht der vernachlässigte ländliche Mikrokosmos der Banija Krajina – eine buchstäbliche, keine politische Grenze –, wo aus der Asche niedergebrannter Häuser neues Leben entsteht und Geschichte nur geflüstert oder im Schweigen weitergegeben wird.
Die Geschichte folgt Generationen gebrochener Menschen: Kinder tragen die Last abwesender, despotischer Väter und erben die Schuld und das Trauma von Kriegen, Exodus und Rückkehr. Haler erforscht die Psyche von Frauen, die zur Einsamkeit verdammt sind, wo sich intimes Leid mit kollektivem Vergessen verwebt. Die Sprache ist poetisch in „Vers“-Passagen gegliedert, provokant und mutig, mit Betonung der weiblichen Perspektive – wie Lila Ceruolla in Ferrantes Romanen, aber vor dem Hintergrund der Ruinen von Banija.
Der Roman etabliert Haler souverän als eine der führenden Stimmen der zentral-südslawischen Prosa: beeindruckende Reife, faszinierender Stil und tiefgründige psychologische Analyse. Ohne Revisionismus, aber mit Fokus auf individuelles Trauma, ruft das Werk zur Auseinandersetzung mit dem eigenen Erbe auf. Die preisgekrönte Autorin, Architekturstudentin und Medienmitarbeiterin beweist hier, dass eine neue Generation bereit ist, die verborgenen Geschichten der Grenze aufzudecken.
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