
88
Ein Klavier hat üblicherweise 88 Tasten, 52 weiße und 36 schwarze, aus denen 88 Töne entstehen. Ein Pianist liest üblicherweise 88 Noten. Diese 88 Mikroprosastücke bilden gleichzeitig ein Klavier und ein Klavierkonzert.
Jede Geschichte ist ein Tonfall, doch alle Geschichten zusammen – und so sollten sie gelesen werden – bilden als Ganzes keinen Roman, wie manche fälschlicherweise annehmen mögen, sondern eine präzise geformte musikalische Gestalt. Auf den ersten Blick ist Nadija Rebronjas Welt nicht mimetisch, sie beschreibt nicht die Realität, sie kann nicht vor Gericht aussagen. Doch so wie Bachs Goldberg-Variationen weder die Realität beschreiben noch vor Gericht als Beweismittel dienen können, und doch spricht nichts so präzise von der Realität wie Glenn Gould, wenn er die Goldberg-Variationen murmelnd spielt, so ist auch „88“ von Nadija Rebronja die in Worten gefasste Welt und das Leben. Die Musik des Daseins. Ein wundersames, unerträglich schönes Buch, das dieser Leser nun sein Eigen nennt. Und die zweite, schwarze Zeile, die lautet: „– aus einem Schnellzug kann man durch die Fenster sehen, wie der Zug die Welt um uns herum zerbricht. / – es ist notwendig, die Welt zu zerbrechen, um aus den Scherben eine neue zu bauen.“, ist für den Leser die ultimative Definition des Reisens.
Angeboten wird ein Exemplar





