
Ljubav u kasabi
In der Erzählung „Liebe in einer Stadt“ (1926) erzählt Andrić die Geschichte zweier junger Menschen, deren Liebe wie ein Fluss unter dem Eis war – stark, aber gefangen in einer Stadt, in der Träume am Stein der Tradition zerbrechen.
In einer staubigen bosnischen Stadt, wo die Zeit an Schritten auf dem Kopfsteinpflaster und Flüstern hinter den Fensterläden gemessen wurde, kehrte der junge Đorđe Đokić mit dem Duft der großen Welt in seinem Mantel aus Wien zurück. Er war groß, mit Augen, die zwischen Kühnheit und Tagträumen wechselten, und seine Ankunft brachte die verschlafene Stadt zum Beben. Die Mädchen blickten ihn verstohlen an, doch Anica, die Tochter des Kaufmanns Vujinović, verbarg ihren Blick nicht. Sie war wie eine Wildblume – schön, aber scharfsinnig, mit einem Stolz, der die jungen Männer die Augen senken ließ.
Đorđe spürte sein Herz klopfen, als Anica an seinem Laden vorbeiging, ihr Haar spiegelte die Sonne. Unter dem Kirschbaum im Hof begannen kurze Gespräche, wo die Worte schwer waren von Unausgesprochenem. Doch die Stadt schlief nicht. Blicke folgten ihnen, Zungen jubelten. Anica kannte die Regeln – Liebe ist ein Luxus in einer Welt, in der Heirat ein Handel ist. Đorđe, hin- und hergerissen zwischen der Pracht Wiens und dem Staub der Stadt, träumte davon, sie mitzunehmen, doch er wusste nicht wohin.
Ihre Treffen wurden seltener, erstickt von Geflüster und Erwartungen. Anica entschied sich für ihre Pflicht, und Đorđe verlor sich in seiner Unruhe. Als er ging, wurde es still in der Stadt, und Anica stand am Fenster, als wartete sie auf etwas, das nie eintraf.
Dva primjerka su u ponudi