
Dvori od oraha
„Die Walnusshöfe“ (2003) ist einer der bekanntesten und bewegendsten Romane von Miljenko Jergović. Er zählt zu den wichtigsten literarischen Zeugnissen des 20. Jahrhunderts auf dem Balkan und der Folgen des Vergessens.
Der Erzähler, ein Junge namens Miljenko (das Alter Ego des Autors), kehrt in Gedanken in das Sarajevoer Viertel Grbavica und zum Haus seiner Großmutter Regina Delavale, geborene Jesenjin, zurück. Das Haus ist von einem großen Walnussbaum umgeben, der den Hof beschattet und zum zentralen Symbol des Romans wird – der Baum erinnert, beschützt und bezeugt die Geschichte einer Familie und einer Stadt.
Die Geschichte ist fragmentarisch, zusammengesetzt aus kurzen Kapiteln – Vignetten –, die das Schicksal der Familienmitglieder Delavale vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis zum Zerfall Jugoslawiens verfolgen. Da sind Regina und ihr Mann Mladen, ihre Kinder, Enkelkinder, Nachbarn – Juden, Muslime, Serben, Kroaten –, die gemeinsam im Sarajevoer Alltag leben, erfüllt vom Duft von Kaffee, Liedern, Streitereien und Liebe. Große historische Ereignisse ziehen durch die Augen der Kinder: die Ankunft Österreichs, des Königreichs, der Zweite Weltkrieg, die Ustascha und die Partisanen, der Sozialismus und schließlich der Krieg in Bosnien und Herzegowina (1992–1995), der die Stadt zerstört und die Familie auseinanderreißt.
Jergović schreibt keinen klassischen historischen Roman; er fängt den Duft von Walnussblättern ein, das Geräusch eines alten Radios, den Geschmack von Omas Kuchen und die stillen Momente, in denen sich wahre Geschichte ereignet – die persönliche, intime. Die Walnusshöfe werden zum Mikrokosmos Bosniens: ein Ort, an dem Menschen verschiedener Glaubensrichtungen und Nationen dasselbe Brot teilten und an dem ebendiese Menschen, oder ihre Söhne, aufeinander schossen.
Der Roman ist zugleich eine Elegie auf eine verlorene Kindheit, auf ein Sarajevo, das nicht mehr existiert, und auf Jugoslawien als die Idee eines gemeinsamen Lebens. Er ist in einer Sprache voller Zärtlichkeit und Ironie geschrieben, ohne Pathos, aber mit einer tiefen, unübersehbaren Traurigkeit.
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